Wie zeigt man Haltung, Christian Kullmann?
Shownotes
Unternehmerinnen und Unternehmer sollen ihr gesellschaftliches Engagement verstärken und der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken – das wünschen sich die Befragten des 2023 veröffentlichten Edelman Trust Barometers. Wie Unternehmen und besonders ihre Führungspersonen das tun können, darum geht es in dieser Podcastfolge von „Democracy@Work“.
Wir sprechen zuerst mit Johannes Bohnen, Politologe und unter anderem Gründer von BOHNEN Public Affairs. Er erklärt, was es für Unternehmen und die Unternehmensführung bedeutet, Verantwortung zu tragen – also eine eigene „Corporate Political Responsibilty“ (kurz: CPR) zu formen, sie mit Leben zu füllen und diese Haltung nach außen zu kommunizieren. Und seine Haltung, die äußert auch Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender von Evonik, deutlich. Er ist deshalb in dieser Folge zu Gast im Interview. Den Hosts Elisabeth Niejahr und Sophia Becker erzählt er unter anderem, wieso ihm sein politisches Engagement so wichtig ist, welche Resonanz er dafür erfährt, wie er bei und mit Evonik demokratische Werte fördert und was ihn zu all dem immer wieder antreibt.
Der Podcast Democracy@Work entstand im Rahmen des Projekts Business Council for Democracy (#BC4D). Der BC4D ist ein Netzwerk von Arbeitgebern, das sich für Demokratie am Arbeitsplatz einsetzt. Dazu gehören unter anderem Schulungen zur Ausbreitung von Hassrede, Desinformation und Verschwörungserzählungen. Der BC4D ist ein Gemeinschaftsprojekt der gemeinnützigen Hertie-Stiftung, der Robert Bosch Stiftung und des Institute for Strategic Dialogue. Dieser Podcast wird produziert vom Studio ZX, ein Unternehmen des ZEIT Verlags.
Weitere Informationen gibt es außerdem hier:
- Was bedeutet „Corporate Political Responsibilty“? (BOHNEN Public Affairs)
- Der BC4D
- Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung
- Das Studio ZX
Redaktion: Anna-Lena Limpert, Sophia Becker, Elisabeth Niejahr, Mona Mann Moderation: Sophia Becker, Elisabeth Niejahr, Jonas Ross Projektmanagement: Mona Mann, Bjarne Kuhrt
Transkript anzeigen
00:00:00: Democracy at work. Wie kann Engagement für Demokratie in Unternehmen gelingen? Ein Podcast des Business Council for Democracy, kurz BCVD. Die gemeinnützige Hertie Stiftung hat mit zwei Partnern der Robert Bosch Stiftung und dem Institute for Strategic Dialogue den BCVD als Netzwerk geschaffen, das Arbeitgeber mit einem Zweck zusammenbringt Demokratie stärken. In diesem Podcast zeigen wir, wie Unternehmen das ganz praktisch umsetzen.
00:00:34: Und wenn wir jetzt in einer Zeit sind, wo wir mit einer braun blauen Partei konfrontiert sind, dann reicht es nicht, irgendwelche Gebäude anzustrahlen. Dann muss man inhaltlich sehr klar, sehr deutlich und gerne auch etwas lauter und energischer Position beziehen. Das tun wir.
00:00:55: Das sagt Christian Kuhlmann. Kuhlmann ist Vorstandsvorsitzender von Evonik, ein international tätiges Chemieunternehmen. Der Spezialchemieer ist später in dieser Folge von Democracy at Work zu Gast. Und wer Kohlmann zuhört, merkt schnell Er hat eine Haltung, und die kommuniziert er sehr klar.
00:01:23: Viele Unternehmenschef innen und Chefs tun das nicht. Aber genauso wie Christian Kuhlmann äußern sich auch ein paar andere deutsche Vorstände, CEOs, Chefinnen und Chefs durchaus politisch. Da ist Ex Siemens Chef Joe Kaeser zum Beispiel. Der macht das schon seit Jahren. Beispielsweise als der saudi arabische Regimekritiker Jamal Khashoggi ermordet wurde. Auch Verena Pauster, Gründerin und Leiterin des Startup Verbands, setzt sich für die Stärkung digitaler Bildung ein.
00:01:57: Oder der CEO von Bahlsen, Alexander Kühnen. Er positioniert sich immer wieder gegen die AfD.
00:02:12: Und darum, wie Unternehmen und speziell Firmen, Chefinnen und Chefs sich politisch äußern und was das bewirken kann. Darum geht es in dieser zweiten Folge. Mein Name ist Jonas Ross, und das hier ist Democracy at Work.
00:02:42: Denn Studien zeigen, dass gesellschaftliches Engagement von Unternehmerinnen und Unternehmern sehr wirkungsvoll sein kann. Und auch unser Experte in dieser Folge bestätigt das. Schauen wir uns das einmal genauer an in unserer ersten Rubrik.
00:03:04: Wie wichtig Haltung ist. Das kann man zum Beispiel im Edelman Trust Barometer nachlesen. Die Studie wird jährlich veröffentlicht und misst Vertrauen und Glaubwürdigkeit in und von Politik und Wirtschaft. Dass 2023 veröffentlichte Barometer zeigt zum Beispiel, dass die Befragten sich wünschen, dass Wirtschaft und Unternehmerinnen und Unternehmer ihr gesellschaftliches Engagement verstärken und der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken.
00:03:37: Warum das so ist und wie das gelingen kann, damit kennt er hier sich besonders gut aus. Gerade die junge Generation der sehr stark und Sinnhaftigkeit gilt, dass Unternehmen sich für öffentliche Belange aus dem Fenster lehnen, sich positionieren, eine Meinung haben, eine Haltung haben das. Ist Johannes Bohnen. Er ist Politologe, Autor und unter anderem Gründer von Bowen Public Affairs, eine Beratungsfirma. Mit seinem Team berät er Unternehmen auch dazu, wie sie politische Verantwortung übernehmen können.
00:04:09: Corporate Social Responsibility oder kurz CPR. Die Grundthese von Corporate Social Responsibility ist, dass Unternehmen im eigenen Interesse in die gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen bzw Vorbedingungen ihres Geschäftserfolg investieren sollten. Wie diese PR oder PR aussieht. Das sei individuell und müsse jedes Unternehmen für sich herausfinden. Es gehe aber nicht darum, dass Unternehmen Parteipolitik machen oder sich ins politische Tagesgeschäft einbringen.
00:04:41: Beziehungsweise nur in bestimmten Fällen. Sondern dann, wenn die Gesellschaft als Ganzes unsere demokratische, rechtsstaatliche Gesellschaft in Gefahr ist. Dass man sich dann positioniert und sagt, Wir stehen hier für bestimmte demokratische Werte ein. Also als Richtwert könnte man nehmen. Überparteilich im Besonderen, aber parteiisch im Grundsätzlichen dann, wenn es um unsere freiheitliche Lebensform als solche geht. Ein Teil dieser Corporate Political Responsibility ist der sogenannte CEO Activism, erklärt Bohn.
00:05:13: Und über diesen wollen wir in dieser Folge noch genauer sprechen.
00:05:21: Also da geht es um Interventionen von Unternehmensführern im öffentlichen Raum zur Stärkung von Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und das ist sozusagen der Turn from the top. Tone from the top. Das heißt also, dass die Unternehmensspitze vorangeht und Haltung zeigt, dem Engagement ein Gesicht geben? Könnte man sagen. Und da gilt es natürlich, sensibel vorzugehen, damit die Unternehmensführung sich nicht von der Belegschaft entfremdet. Ein CEO mit Haltung, das habe auch Wirkung ins Unternehmensinnere, also auf die Belegschaft.
00:05:55: Wenn ein CEO sich im öffentlichen Diskurs positioniert, sich für bestimmte Themen einsetzt, zum Beispiel die Stärkung der Demokratie für Menschenrechte usw, schärft er damit das Profil der Firma, für die er tätig ist, für die er arbeitet.
00:06:14: Und gibt ein Turn from the Top für die Belegschaft. Mitglieder, die dann wissen okay, so tickt unser CEO am besten auch nach einem politischen Leitbild, das die Unternehmer von sich gegeben hat. Und Bon findet die Zeit, dass sich CEOs, Vorstände und ganze Unternehmen öffentlich und politisch äußern. Die ist gerade jetzt.
00:06:38: Deswegen ist es jetzt genau die Zeit mit den Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen, wo Unternehmen ihre gesellschaftspolitische Verantwortung ganz andersartig definieren müssen. In der Vergangenheit war es ja immer so ein bisschen verpönt,
00:06:53: sich mit der Politik ins Benehmen zu setzen. Gleichzeitig war es aber auch so, dass die Unternehmen natürlich längst den oder immer wieder den Gesetzgebungsprozess massiv beeinflussen und lobbyieren. Und deswegen geht es eher darum, wie Unternehmen ihre ihrer Verantwortung gerecht werden.
00:07:19: In dieser Folge von Democracy at Work sprechen Elizabeth Nia und Sophia Becker von der gemeinnützigen Hertie Stiftung mit einer Person, einem Firmenchef, der sich politisch äußert.
00:07:37: Mit Christian Kuhlmann, dem Evonik Vorstandsvorsitzenden. Mit Evonik setzt sich Kuhlmann schon seit Jahren für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft ein. Christian Kuhlmann hat Wirtschaftsgeschichte studiert, war bei der Deutschen Vermögensberatung hat verschiedene Stationen im Generalsekretariat der Dresdner Bank gemacht, bevor er dann Leiter der Kommunikation und des Vorstandsbüros von RAG und später Evonik wurde. Seit 2014 ist er Mitglied im Vorstand, seit 2017 Vorstandsvorsitzender.
00:08:17: Wieso ist ihm seine politische Positionierung so wichtig? Wie äußert er die? Und auf welches Feedback stößt er mit seiner klaren Haltung? Im Betrieb finden wir es im Interview heraus.
00:08:32: Und genau dafür gebe ich ab an Elisabeth Nier und Sophia Becker. Elisabeth Nia ist Geschäftsführerin der gemeinnützigen Hertie Stiftung. Die Hertie Stiftung fördert Menschen und Projekte im Rahmen ihrer Leitthemen Gehirn erforschen und Demokratie stärken. Und Sophia Becker leitet innerhalb der Hertie Stiftung den Business Council for Democracy, kurz Big Four. Das ist ein Netzwerk von Arbeitgebern, das sich für Demokratie am Arbeitsplatz einsetzt.
00:09:04: Los geht's mit dem Gespräch mit Christian Kuhlmann. Viel Spaß!
00:09:12: Hallo, mein Name ist Elisabeth Niejahr. Und mein Name ist Sophia Becker. Wir freuen uns, dass wir heute Christian Kuhlmann bei uns zu Gast haben. Er ist Vorstandsvorsitzender bei Evonik Industries. Herzlich willkommen, Herr Kuhlmann. Schön, dass Sie da sind. Guten Morgen, liebe Frau Nina. Guten Morgen, liebe Frau Becker. Ich bin gerne bei Ihnen. Wir starten als erstes mit einer Rubrik, die sich bei uns Choice at Work nennt. Das sind kurze Fragen und Sie antworten spontan, was Ihnen gerade besser erscheint. Schultz Work.
00:09:48: Ich lege einfach mal los. Ticktack oder Telefon? Telefon. Tagesschau oder Twitter. Tagesschau. Top down oder Bottom up Mischung. Stuhlkreis. Oder basta. Stuhlkreis. Laut oder leise? Leise. Mal laut. Den wohltemperierten Ton zu treffen, ist die Kunst. Reden oder zuhören? Reden. Disziplin oder Kreativität? Diszipliniert an der Kreativität arbeiten. Lokal oder global? Global? Schnell oder sicher? Schnell Mit dem Fahrrad zur Arbeit oder mit dem Dienstwagen? Dienstwagen.
00:10:28: Super, Herzlichen Dank. Damit haben wir unsere kurzen Fragen abgeschlossen.
00:10:39: Herr Kuhlmann, wir freuen uns sehr, dass Sie heute zu Gast sind und mit uns über Unternehmen und Demokratie sprechen. Und es soll insbesondere um die Rolle der Chefs gehen. Sie haben sich vor ungefähr einem Jahr sehr klar zum Thema Demokratie geäußert, auch zur Alternative für Deutschland und sogar an einer Demonstration als Speaker teilgenommen. Anlässlich des AfD Parteitags in Essen. Was hat Sie damals dazu bewogen, in einer Weise klare Kante zu zeigen, der seitdem viele andere gefolgt sind? Demokratie braucht Demokraten und es reicht nicht aus, alle vier Jahre einmal zu wählen, sondern Demokratie braucht ein permanentes, ein konstantes, ein andauerndes, ein dauerndes Engagement in der Gesellschaft für die Gemeinschaft.
00:11:36: Große Konzerne wie Evonik Industries sind dabei in der Pflicht. Wir haben Macht. Als Vorstandsvorsitzender habe ich Macht. Diese Macht ist auf der einen Seite Verantwortung und auf der anderen Seite auch Pflicht, nämlich Pflicht, für eine demokratische, für eine weltoffene Gesellschaft einzutreten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind keine Roboter. Es sind Menschen und diese Menschen leben in dieser Gesellschaft und für uns ist es ein entscheidender.
00:12:09: Nein, ich gehe noch einen Schritt weiter Der entscheidende Wettbewerbsvorteil, dass wir in einer demokratischen, in einer weltoffenen Kultur hier unsere Geschäfte entwickeln, an unserer Zukunft arbeiten können. Das bedeutet für mich, dass wir uns als Vorstände, wir uns als Manager, wir uns als Mitarbeiter, wir uns als Menschen für unsere Demokratie, für ein liberales, für ein tolerantes, für ein weltoffenes Deutschland einsetzen müssen. Und wenn wir sehen, dass das in Gefahr zu geraten droht durch eine braun blaue Partei wie die AfD eine ist, Müssen wir uns engagieren.
00:12:50: Müssen wir auch in der Öffentlichkeit auftreten? Denn Demokratie heißt, auf dem Marktplatz im Forum sich zu erklären und für eigene Positionen zu werben. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? Vor allen Dingen auch bei Evonik intern. Welches Feedback haben Sie bekommen von Kolleginnen und Kollegen zu Ihrer Positionierung? Die große Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur in Deutschland weltweit hat es sehr unterstützt. Meine Gremien, also zum Beispiel die Betriebsräte, aber auch die Spitzenvertreter der leitenden Angestellten wie auch mein Aufsichtsrat haben das begrüßt und befördert und sind hier gemeinsam mit mir in diesem Sinne unterwegs.
00:13:36: Richtig ist aber auch Evonik ist mit weltweit über 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, davon etwa 18.000 in Deutschland, Land zugleich ein Spiegelbild gesellschaftlicher Strömungen und Entwicklungen. Deshalb gab es auch Kritik, Kritik, dass wir uns hier als Unternehmen, das ich mich hier als Person sehr klar erkläre. Diese Kritik muss ich aushalten. Und diese Kritik ist wichtig, weil sie der Einstieg ist im Unternehmen in einen konstruktiven, in einen offenen Dialog.
00:14:13: Warum wir uns so positionieren und warum wir so für Demokratie werben. Evonik hat ja eine besondere Kultur, was Haltung und politische Bildung betrifft. Sie haben zum Beispiel in Ihrer Ausbildung für junge Mitarbeitende verankert ein Format, das Mutausbruch heißt. Sie fahren mit Ihren Mitarbeitenden in Gedenkstätten, die an die NS Zeit erinnern, unter anderem auch nach Auschwitz. Haben selber da auch immer wieder teilgenommen.
00:14:45: Können Sie ein bisschen beschreiben, warum sie das tun und wie das die Kultur in ihrem Unternehmen prägt. Das möchte ich gerne tun. Dabei bin ich getragen von drei Überlegungen. Die erste findet sich in unserer Geschichte begründet. Die Vorläufergesellschaften von Evonik, insbesondere die Degussa, hat mit Zyklon B das Produkt geliefert, mit dem 6 Millionen Juden in der Zeit der Nazidiktatur ermordet worden sind.
00:15:20: Das ist eine nicht zu tönende Schuld, und es ist zugleich auch eine Verantwortung für diesen Konzern, dass ich so etwas nicht wiederholen darf. Das bedeutet, dass wir gerade unseren jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gelegenheit geben müssen, sich mit dieser dunkelsten Stunde in der Geschichte des Konzerns intensiv auseinandersetzen zu können. Und das bedeutet das persönliche Erleben an diesem Ort, an diesem schrecklichsten Ort, den ich mir nur denken kann, nämlich in Auschwitz gewesen zu sein und dort erfahren zu haben, was passiert ist, was passiert ist, auch mithilfe einer Vorgängergesellschaft von Evonik mit der Degussa.
00:16:11: Hier also Erinnerung wach zu halten, wachsam zu sein und zugleich damit auch für eine demokratische Kultur einzutreten, ist deshalb Pflicht für uns, um jungen Menschen diese Gelegenheit zu geben, sich damit beschäftigen zu können. Zum Zweiten Wer sich für Demokratie, wer sich für Bürgerrechte, wer sich für Menschenrechte einsetzt, der muss seinen Mitarbeiterinnen, seinen Mitarbeitern die Gelegenheit geben, Im Diskurs sich einbringen zu können, eigene Ideen, eigene Vorstellungen, aber zugleich auch Kritik üben zu können.
00:16:52: Was können wir als Unternehmen besser machen? Dafür braucht es ein Forum, dafür braucht es eine Bühne. Deshalb ist es wichtig, dass wir die als Unternehmen anbieten und schaffen. Und der dritte Punkt? Das ist die Gegenwart. Die Gegenwart. Ganz konkret hier der Aufstieg der AfD. Dass wir uns mit dieser Frage auseinandersetzen, dass wir uns mit diesem politischen Problem auseinandersetzen und dass wir hierzu auch aus der Mitte der Belegschaft heraus eine Meinung bilden können, um gegen diese braun blaue Partei Position beziehen zu können.
00:17:34: In dieser Trias sind wir unterwegs und das erklärt, warum wir uns für Demokratie, warum wir uns für Rechtsstaatlichkeit, warum wir uns für Meinungsfreiheit? Warum wir uns für Bürgerrechte, Warum wir uns für Religionsfreiheit so engagieren und einsetzen. Für viele Unternehmen wird es ja kompliziert, wenn es dann konkret wird. Können Sie mal beschreiben, wie Evonik damit umgegangen wird, wenn es zum Beispiel doch einmal rassistische oder ausgrenzendes, vielleicht auch rechtsextremes Verhalten geben sollte, das klar justiziabel ist? Gab es solche Fälle und wie gehen Sie damit um? Solche Fälle gab es, und solche Fälle wird es immer wieder geben, weil wir ein Spiegelbild gesellschaftlicher Strömungen und Entwicklungen sind.
00:18:22: Und wir dürfen davor nicht die Augen verschließen. Ich möchte an einem Beispiel illustrieren, was sich hier vor einiger Zeit ereignet hat. Wir hatten einen jungen Auszubildenden, der morgens in den Betrieb kam und mit Heil Hitler grüßte. Das geht nicht. Von diesem jungen Menschen haben wir uns getrennt.
00:18:44: Da waren auch Gespräche und der Austausch schlechterdings nicht mehr möglich. Dann müssen wir konsequent sein. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder, insbesondere auch an meine Adresse,
00:19:03: Schmähungen aus dem öffentlichen Raum heraus, mit denen ich umgehen muss. Die muss ich aushalten. Warum muss ich die aushalten? Weil ich die Verantwortung als Vorstandsvorsitzender für die politische Linie dieses Konzerns habe. Insofern ist Aushalten für mich ein durchaus positiv besetztes Attribut. Weil das gehört dazu. Wer sich in die Öffentlichkeit hineinbegibt, wer am Diskurs teilnimmt, wer klare Position bezieht, Haltung zeigt, der muss dann auch mit entsprechender Kritik, mit entsprechenden Schmähungen umgehen.
00:19:39: Wenn ich das auf den internationalen Raum beziehe. Dann erfahre ich, dann erfahren wir als Evonik gerade im Ausland, in den Vereinigten Staaten, auch in Asien wie auch in vielen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sehr viel Unterstützung und sehr viel positives Feedback für das, was wir tun und wie wir uns gesellschaftlich für Demokratie engagieren. Unser Thema heute sind ja die Spitzenkräfte, die CEOs, auch als Role Model.
00:20:13: Vielleicht mögen sie uns noch ein bisschen von sich erzählen. Was hat Ihren persönlichen Blick auf Politik und gesellschaftliche Themen geprägt und welche Rolle spielt dabei beispielsweise, dass Sie Wirtschaftshistoriker sind? Ursprünglich wollte ich Kunst und Kulturgeschichte studieren. Mein Vater hat sich darüber so erregt und so getobt, dass die Tauben tot vom Himmel gefallen sind,
00:20:39: weil der Samen nicht mich Betriebswirtschaft bzw Jura studieren. Meine Mutter ist eine kluge Frau und hat dann innerhalb der Familie vermittelt. Und daraus wurde dann das Studium der Wirtschaftsgeschichte, also eine Mischung in der Annahme meiner Eltern, dass ich auch mit dem Wirtschaftselementen innerhalb des Studiums später mal mein Auskommen verdienen würde. Also hier konnte ich dann in den vergangenen Jahren beide beruhigen.
00:21:09: Dann hatte ich die Idee, an der Universität zu bleiben, weil mir das sehr viel Spaß gemacht hat. Aus dieser Idee wurde dann eine kurze Episode als Hilfsreferent bei der CDU Landtagsfraktion und Anfang der 90er Jahre in Niedersachsen. Von dort ging es dann nach Frankfurt für fast zehn Jahre zur Dresdner Bank. Und in dieser Zeit habe ich Beobachtet als junger Referent, wie die Nomenklatur dieses großen Banken mit Geschichte umgegangen ist.
00:21:52: Denn in dem Jubiläumsbuch anlässlich des 125-jährigen Geburtstags fand sich über das Kapitel der NS Geschichte der dürre Satz, dass man in schwerer Zeit Haltung bewahrt habe. Das war eine faustdicke Lüge. Weil die Dresdner Bank war unter anderem die Hausbank der Waffen SS und die diese. Dieser Versuch der Geschichtsklitterung war mir damals widerlich und ist es auch bis heute geblieben.
00:22:28: Und ich hatte mir damals als junger Mann fest vorgenommen,
00:22:33: sollte ich jemals in eine Position kommen, wo ich über solche Dinge mitentscheiden Entscheiden darf. Dann werden wir genau das Entgegengesetzte tun, nämlich uns offen und konstruktiv, uns kritisch und vor allen Dingen auch demütig mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen. Und diese Chance habe ich hier. Und das ist ein Stück weit persönliche Motivation, mich damit auseinanderzusetzen.
00:23:05: Man sieht sie ja auch öfter mal mit einem Borussia Schal im Stadion stehen. Was denken Sie, welche Rolle spielt Haltung und Werte im Stadion, im Fußball? Aki Watzke, der Chef von Borussia Dortmund, ist ein guter und enger Freund von mir. Und er wurde jüngst mit der Leo Baeck Medaille ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung, die die jüdische Gemeinde in Deutschland vergeben kann.
00:23:37: Ich habe ihm dazu von ganzem Herzen gratuliert und er hat diese Auszeichnung bekommen, weil er sich sehr für jüdisches Leben in Deutschland und sehr engagiert gegen Antisemitismus in Deutschland engagiert und einsetzt. Wir und ich auch persönlich unterstützen ihn auf diesem Weg. Und deshalb gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Borussia Dortmund auf der einen Seite und die von Nick Industries auf der anderen Seite um Fans, um jungen Menschen, um Auszubildenden die Gelegenheit zu geben, Geschichte zu erfahren.
00:24:15: Dazu gehört dann auch, dass wir mitunter gemeinsam nach Auschwitz reisen, um dort an diesem schrecklichen Ort zu sehen, was Menschen einander antun können, gerade im Sport. Gerade im Fußball, der ja ein wesentlicher Transmissionsriemen von öffentlicher Meinung ist und auch von Eindrücken und auch von Fragen, wie man miteinander umgehen soll, ist dieses Engagement von Borussia Dortmund und von Aki gar nicht hoch genug zu bewerten.
00:24:50: Und ich bin sehr dankbar dafür. Und wir machen das gemeinsam. Und das ist wichtig. Und dass Dortmund da in der Bundesliga im Vergleich zu vielen anderen Vereinen vorangeht, auch Beispiel ist, auch beispielgebend ist. Das ist etwas, was mich wirklich freut. Darauf bin ich stolz. Das Wort kommt mir nicht so leicht über die Lippen, aber hier und darauf bin ich wirklich sehr stolz. Bei vielen Unternehmen werden im Moment die Etats für Haltungskampagnen oder ähnliches zusammengestrichen.
00:25:26: Sponsoring kostet ja auch immer Geld. Wie zeigt sich das bei Ihnen? Demokratie ist ja eigentlich kein Schönwetterthema und man würde sich wünschen, dass gerade in Zeiten, wo die Wirtschaft nicht so toll läuft, das Thema nicht in den Hintergrund gerät. Gibt es Dinge, die weniger Geld kosten oder wie gehen Sie bei Evonik damit um? Oder betrifft es Sie gar nicht so sehr?
00:25:52: Demokratie ist für mich gesellschaftlicher Sonnenschein. Liebe Freunde, liebe Frau Becker und das diese Sonne weiter scheint und hilft, dass eine Gesellschaft in diesem Licht strahlen, aufblühen, sich entwickeln und wachsen kann, ist uns wichtig. Deshalb kürzen wir, was solche Programme, Initiativen und Ideen angeht, nichts.
00:26:18: Wobei. Erlauben Sie mir bitte eine Anmerkung Sie sprechen von Sponsoring und das möchte ich etwas differenzierter bitte kommentieren. Ja, da habe ich eben auch zwei Dinge in einem Atemzug genannt, die nur sehr bedingt miteinander zu tun haben. Und vielleicht sollte man an der Stelle auch sagen, Man kann für Demokratie sehr viel tun. Darum ging es mir eigentlich auch. So ein bisschen was nicht unbedingt was kostet. Zum Beispiel Interviews wie dieses geben. Kampagnen sind wirklich nur ein Teil von dem, was Unternehmen sich alles so einfallen lassen. Für mich geht es bei dem gesellschaftlichen Engagement weniger darum, dass wir uns in Gesten erschöpfen.
00:26:58: Also wenn wir ein Haus anstrahlen zu einem bestimmten Tag und damit dieses Anstrahlen eines Hauses, Anleuchten eines Hauses mit einer Botschaft aufladen wollen, dann ist das so diese, dieser Praspekt von Haltungskommunikation, das ist mir zu schwach, das ist mir zu schal und das ist mir auch zu abstrakt. Das ist mir zu wenig. Hier geht es um sehr konkrete Sachverhalte.
00:27:30: Und wenn wir jetzt in einer Zeit sind, wo wir mit einer braun blauen Partei konfrontiert sind, dann reicht es nicht, irgendwelche Gebäude anzustrahlen. Dann muss man inhaltlich sehr klar, sehr deutlich und gerne auch etwas lauter und energischer Position beziehen. Das tun wir. Die zweite Ebene, die darunter liegt,
00:27:55: ist für mich ein Riesenproblem
00:27:58: und das ist das der politischen Bildung in Deutschland. Wir sehen, wir haben gesehen bei der Europawahl, wir haben gesehen, bei den Wahlen in einigen Bundesländern im vergangenen Jahr, das gerade im Bereich der Erstwähler und der Jungwähler die AfD sehr stark abgeschnitten hat. Wie kann das sein, wenn wir uns in unseren Schulen, in unseren Unternehmen und im öffentlichen Raum vornehmen, dass die politische Bildung in jungen Menschen erklären soll, was Demokratie bedeutet und was sie, weil wir sie in den vergangenen Jahrzehnten gut entwickelt haben.
00:28:44: Aus gutem Grund. Wenn ich an die NS Zeit denke, was es bedeutet, wenn wir das vernachlässigen. Und wenn eine Demokratie hin in eine Diktatur kippt, Wie kann es sein, dass diese politische Bildung hier
00:28:59: ganz offensichtlich nicht dafür hat sorgen können, dass junge Menschen, dass Erstwähler ihr Kreuzchen bei der AfD gemacht haben, dass sie das nicht haben verhindern können? Hier haben wir einen riesen Aufgabe. Hier haben wir ein Riesenproblem, weil offensichtlich wird über die Köpfe vieler junger Menschen hinweg geredet von den Anbietern vieler politischer Bildungs und Weiterbildungseinrichtungen. Das ist für mich ein ganz großes Thema in den nächsten Jahren.
00:29:31: Politische Bildung ist das eine. Da tut ja Evonik auch einiges, unter anderem auch mit unserem Projekt zusammen mit dem Business Council for Democracy und den Schulungen, die für Beschäftigte angeboten werden, zu den Themen Desinformationen, Hate Speech usw. Aber welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht noch andere Faktoren, also welche Rolle spielen Zukunftsängste, Abstiegsängste? Vielleicht sind es bei den Jungen nicht so stark die Abstiegsängste, aber bei den Älteren also. Was ist Ihre Deutung, warum es überhaupt zu solchen Wahlverhalten kommt? Vor einigen Jahren hat die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt In Deutschland funktioniert Demokratie dann gut, wenn die Wirtschaft wächst.
00:30:19: Ich habe das kritisiert und habe das für nicht umfangreich, nicht umfassend genug in der Betrachtung gehalten. Jetzt in der Wirtschaftskrise. Deutschland wächst seit vier Jahren nicht. Jetzt, in einer Zeit, wo wir hier in Deutschland Arbeitsplätze abbauen, wo es wirtschaftlich schwierig ist. Jetzt erkenne ich und ich erkenne auch an, dass das, was Frau Merkel gesagt hat, durchaus auch richtig war und ist.
00:30:53: Wir sehen bei immer mehr Jugendlichen Angst und zunehmende Verunsicherung über die soziale, über die wirtschaftliche Perspektive, Abstiegsangst. Gerade in diesen Altersklassen nimmt zu und die übersetzt sich in eine Sehnsucht nach einer autoritären Antwort, nach Klarheit, die eine vermeintliche.
00:31:28: Eine trügerische Sicherheit verspricht. Das ist ganz falsch. Gleichwohl ist es ein Sachverhalt, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Also Angst vor sozialem Abstieg. Angst, unter die Räder einer Wirtschaftskrise zu kommen, ist ein wesentlicher Movens von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Es tritt ein zweiter hinzu. In westlichen Demokratien haben wir ein Potenzial radikaler Konfliktfähigkeit von ungefähr 15 und mitunter bis zu 20 %.
00:32:11: Das ist eine Gruppe innerhalb der Bevölkerung, die dem gesellschaftlichen System, die dem Gesellschaftsmodell die Demokratie wie der sozialen Marktwirtschaft kritisch, skeptisch, ablehnend gegenübersteht. Dieses Potenzial erfährt Aktivierung je nach wirtschaftlicher, je nach politischer Lage. Die sehr aufgeladene und polemisch geführte Migrationsdebatte hat dazu beigetragen, dieses Potenzial zu aktivieren.
00:32:43: Die Wirtschaftskrise tut ihr Übriges. Auch damit müssen wir uns befassen und beschäftigen. Und auch hier sehe ich, dass politische Bildungsarbeit darauf keine Antworten gibt. Wir haben eine politische Bildungsarbeit, die in dem Geist der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts im Wesentlichen stehen geblieben ist. Umso dankbarer bin ich, dass es neue dialogorientierte Angebote und Formate gibt, wie beispielsweise das der Hertie School of Governance, mit dem wir dann sehr gut umgehen und zusammenarbeiten können.
00:33:25: Wir brauchen hier frischen Wind, neue Ideen um bessere Angebote machen zu können. Was würden Sie anderen Chefs sagen, die uns entgegnen beispielsweise, dass politische Bildung keinen Platz im Unternehmen hat? Denn da ist man ja schließlich zum Arbeiten.
00:33:46: Ja, den würde ich nicht sagen, den sage ich das Folgende. Milton Friedman, einer der liberalen volkswirtschaftlichen Götter, hat die Aussage geprägt The business of the business is a business. Das mag in einer idealen Welt vielleicht sogar richtig sein, aber eine ideale Welt finden wir im Himmel. Wenn Sie denn glauben. Hier auf Erden müssen wir mit dem umgehen, was wir haben und was wir sind.
00:34:16: Und deshalb ist diese Aussage hier von Milton Friedman völlig falsch. Warum ist sie völlig falsch? Der Mitarbeiter ist doch kein isoliertes Wesen, das morgens ins Unternehmen kommt und abends nach Hause geht und ansonsten Beschützer trägt und nichts hört. Sondern er lebt mit seiner Familie. Er lebt mit seinen Freunden, er lebt mit seinem gesellschaftlichen Engagement im Sportverein, im Kirchenchor, in der Partei, in der Gewerkschaft und sonstwo. In einer offenen, in einer demokratischen Gesellschaft besonders gut.
00:34:50: Und erst dann ist er auch in der Lage, seine Leistungskraft, seine Potenziale voll in das Interesse des Unternehmens zu stellen. Mit anderen Worten Der Mitarbeiter ist auch Staatsbürger. Der Mitarbeiter steht im Zentrum auch von gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen. Und deshalb muss ich ihn auch umfassend annehmen, wie er ist. Was heißt das denn für Evonik jetzt ganz konkret? Das heißt zum einen, dass die Mitarbeiter, die sich bei uns engagieren wollen, ob in der Partei, ob im Kirchenchor oder sonstwo, die kriegen auch dafür die Möglichkeit.
00:35:25: Das ist wichtig. Und das heißt auch, dass wir unser gesellschaftliches Umfeld, unser politisches Umfeld, ganz gleich, wo wir auf der Welt unsere Geschäfte machen, auch immer so annehmen, dass wir für unsere Werte werben. Und diese Werte von Evonik Industries. Lassen sich mit zwei einfachen Botschaften zusammenfassen. Die erste Botschaft ist Mach deinen Job, so gut es eben geht. Und die zweite Botschaft ist.
00:35:55: Sei liberal und sei tolerant. Nathan der weise Lessing bringt das ganz wunderbar auf den Punkt. Wir sind in einem Unternehmen mit 50, 60 unterschiedlichen Ethnien. Wie übersetze ich das für mich? Ob jemand katholisch ist, ob jemand evangelisch ist, ob jemand Jude ist, ob jemand Moslem ist, ob jemand Buddhist ist, ist doch gar nicht wichtig. Ob jemand von seiner Hautfarbe weiß ist. Rot ist schwarz. Es ist doch gar nicht wichtig, ob jemand Mann ist oder Frau ist oder was dazwischen ist, ist doch gar nicht wichtig.
00:36:32: Entscheidend ist, dass wir einander mit Liberalität und Toleranz begegnen und jeden so nehmen und annehmen, wie er ist und auf dieser Grundlage mit ihm umgehen. Das ist der Kerngedanke eines toleranten Miteinanders. Und dann ist auch ein Unternehmen, das weltweit Geschäfte macht, in der Lage, erfolgreich sich zu entwickeln und für Wirtschaftswachstum und für Wohlstand zu sorgen. Und wenn ich so an die Dinge herangehe, dann verbinde ich ein Engagement für Demokratie, ein Engagement für Liberalität, ein Engagement für Toleranz verbinde ich dann auch mit wirtschaftlichem Erfolg.
00:37:14: Und das ist das, was ich mit vielen meiner Kolleginnen und Kollegen aus den Vorstandsetagen anderer Konzerne weltweit immer wieder auf Höhe des ersten Glases Weißwein erörtere. Und wenn wir dann beim zweiten Glas Rotwein sind, dann finden wir da auch guten gemeinsamen Schwung. Über solche Dinge intensiv diskutieren zu können. Und ich entdecke dann auch sehr viel Verständnis und Sympathie. Und Sie sehen doch in Deutschland, als wir Ende 23, Anfang 24 dieses Thema auf die politische Agenda genommen haben, dass sich Wirtschaft, dass sich Industrie viel stärker politisch erklären muss, dass die Anzahl der Topmanager, dass die Anzahl der Familienunternehmer, dass die Anzahl der Mittelständler dabei ist, immer größer zu werden, die sich genau hier erklären, genau hier engagieren für ein demokratisches Deutschland, für ein rechtsstaatliches Deutschland und gegen ein braun blau gefärbtes Deutschland.
00:38:16: Sie haben jetzt, finde ich, sehr gut rübergebracht, was eine gute Unternehmenskultur auch mit der Demokratie zu tun hat. Dass es also in beiden Fällen um ähnliche Werte geht und ähnliche Verhaltensweisen. Also wenn man für die Demokratie im Sinne der Demokratie Menschen dabei unterstützt zu lernen, schwierige Diskussionen zu führen, andere Meinungen auszuhalten, zuzuhören, ist das gut für das Unternehmen, aber auch gleichzeitig für die Demokratie und umgekehrt. Also wir versuchen auch immer zu betonen, dass es eigentlich eine Win Win Situation ist für Unternehmen und Gesellschaft, wenn man so bestimmte Verhaltensweisen.
00:38:52: Entschuldigen Sie bitte, aber stellen Sie sich vor. Stellen Sie sich vor, in diesem Unternehmen würde jeder Mitarbeiter, würde jede Mitarbeiterin die Hand an die Hosennaht legen und jawoll, Herr Kuhlmann brüllen, wenn ich irgendetwas erkläre oder äußere. Das würden wir jetzt eigentlich vermutet. Ja, das würde ja unterstellen, dass ich alles weiß und alles besser weiß als alle anderen meiner 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
00:39:25: Das ist ja ein nachgerade absurder Gedanke. Sondern dieses Unternehmen wird besser, wenn wir im Unternehmen diskutieren, wenn wir auch mal streitig diskutieren, wenn wir unterschiedliche Ideen und Argumente einander gegenüberstellen. Das ist letztlich konzerninterne Vielfalt, konzerninterne Buntheit unterschiedlicher Positionen. Das nennt man innerbetriebliche Demokratie.
00:39:55: Und deshalb ist es so wichtig, dass wir das nicht nur im Unternehmen tun, sondern auch für diese Werte in den jeweiligen Gesellschaften, in den jeweiligen Staaten eintreten. Nicht um andere zu belehren, sondern um zu zeigen, was wir sind, wer wir sind und warum wir so sind und dass wir das, was wir tun, ziemlich toll finden. Und gleichzeitig ist es nicht immer leicht, solche Gespräche zu führen. Vom 7. Oktober bis zum Genderstern gibt es eben auch viele Themen, die polarisieren und wo sich mancher Beschäftigter vielleicht auch überfordert fühlt damit, so Diskussionen am Arbeitsplatz gut auszuhalten.
00:40:36: Deswegen sagen wir immer, das ist wirklich auch was, was man üben muss. Demokratie kann man üben, muss man auch üben. Wir reden manchmal so vom Demokratiemuskel, den man trainieren muss. Sie haben jetzt beschrieben, eben auch, wie viel eigentlich so in den letzten 12 bis 24 Monaten in der Wirtschaft in Gang gekommen ist. Gerade vor der Europawahl gab es ja wirklich ganz ungewohnte Szenen. Mehrere CEOs sind auf Demonstrationen gegangen. Herr Lutz von der Deutschen Bahn, der Chef von Volkswagen und andere haben sich sehr klar geäußert, der Christian Sewing, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank auch.
00:41:10: Es gab verschiedene Allianzen für Werte und für Demokratie. Wie zuversichtlich sind Sie, dass das auch so weitergeht? Denn es gibt ja auch viel Gegenwind International setzen sich an einigen Stellen autoritäre Figuren durch. Wie? Wie blicken Sie da auf die nächsten Monate? Das, was Christian Sewing gemacht hat, den ich persönlich etwas besser kenne, finde ich atemberaubend gut. Das gilt auch für die Kollegen, die sich da engagieren aus anderen Unternehmen, Konzernen und Häusern.
00:41:42: Und ich bin zuversichtlich. Warum bin ich zuversichtlich? Weil ich ein Optimist bin. Weil ich ein Realist bin. Und weil ich mich nicht vor meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen kann. Wenn beispielsweise andere CEOs in Deutschland erklären, die Bundesrepublik sei ein wirtschaftlicher Ramschladen. Das sind wir nicht. Wir haben tolle Chancen, wir haben fantastische Perspektiven. Wenn wir jetzt energisch und konzentriert beispielsweise in die sogenannte grüne Transformation hinein investieren.
00:42:20: Und genau so verhält es sich auch mit unserem demokratischen und unseren politischen Verständnis. Dieses Land ist ein tolles Land. Dieses Land hat Probleme, wie die meisten anderen Länder überall auf der Welt auch. Aber ich gehe doch nicht mit einem Problem um. Ich suche doch nicht nach einer Lösung. Ich suche doch nicht nach einer Verbesserung der Situation, in dem ich jammere, in dem ich klagen, in dem ich meine Sorge mit anderen teile.
00:42:53: Das macht nichts besser. Jammern ist Zeitverschwendung, sondern das beherzte Handeln, das engagierte Einsetzen für Dinge, die großartig sind. Darauf kommt es jetzt an und weil das so ist, bin ich sehr zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, aus dieser gegenwärtig schwierigen Zeit politisch wie wirtschaftlich schwierigen Zeit gut herauszukommen. Wo wir gerade schon vom Handeln sprechen Bald ist wieder Bundestagswahl und viele Unternehmen werden da auch wieder ihre Mitarbeitenden aufrufen, zur Wahl zu gehen.
00:43:33: Das haben Sie ja mit Evonik vor der Europawahl auch gemacht. Machen Sie das dieses Mal auch wieder und geben Sie auch eine Wahlempfehlung ab. Klar werden wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufrufen, an der Bundestagswahl teilzunehmen. Am Sonntag Blaumachen gilt nicht. Das ist ganz wichtig. Das ist selbstverständlich. Ich werde keine Wahlempfehlung abgeben. Aber ich werde schon erklären, was es bedeutet, seine Stimme für die AfD abzugeben, nämlich dass wir unsere Demokratie dadurch gefährden.
00:44:11: Nämlich auch, dass wir die Arbeitsplätze, die wir haben, die Zukunftschancen, die wir haben, damit gefährden, nämlich das wir das Miteinander, was es in dieser Gesellschaft gibt und was doch immer noch großartig und stark ist, ebenfalls aufs Spiel setzen. Nationalismus und chauvinistische Parolen sorgen nicht für Wirtschaftswachstum, sie sorgen nicht für Wohlstand, Sie sorgen nicht für ein gedeihliches Miteinander, sondern das alles zerstören sie.
00:44:43: Und weil das so ist, muss man diesen Punkt immer wieder, immer wieder klar erklären und in die Öffentlichkeit stellen. Und das werde ich tun. Und Schlussfrage Wenn Sie einen Wunsch frei hätten an die nächste Regierung nicht zum Thema Wirtschaft oder Regulierung oder wozu sich Wirtschaftsschefs normalerweise äußern, sondern auch zum Thema Demokratie und politische Bildung, was ihnen ja ein Anliegen ist. Was wäre das? Ich wünsche mir eine pragmatische Regierung, die dieses Land, was unter dem einen und anderen gesellschaftlichen Riss dabei ist zu leiden, mehr zusammenführt.
00:45:33: Ich wünsche mir eine Regierung, die diesem Land in der demokratischen Kultur, im gesellschaftlichen Miteinander, auch im Ausgleich unterschiedlicher Interessen eine Perspektive, eine Idee nach vorne vermittelt, hinter der sich eine große Mehrheit versammeln kann. Und ich wünsche mir eine Regierung, die weniger von parteitaktischen Spielchen und Manövern getragen ist, sondern von großer Ernsthaftigkeit und auch von großer Ehrlichkeit.
00:46:12: Den Menschen zu sagen, was notwendig ist, um den Wohlstand zu sichern, um neues, auch qualitativ neues Wachstum zu ermöglichen, um damit in eine bessere Zukunft zu gehen, als es unsere Gegenwart ist. Eine solche Regierung wünsche ich mir. Dann sagen wir an dieser Stelle ganz herzlichen Dank, lieber Herr Kuhlmann, für dieses Gespräch. Wir werden sicher auf unterschiedlichen Ebenen weiter mit Evonik in Kontakt sein. Wir arbeiten ja seit vielen Jahren zusammen und insofern freuen wir uns auch sehr, dass unsere Community in den ganz vielen unterschiedlichen Unternehmen und Wirtschaftsfeldern, die sich mit Demokratie und Wirtschaft beschäftigen, heute von Ihnen noch mal erfahren haben, wie Sie auf das ganze Thema Demokratiebildung schauen.
00:46:59: Herzlichen Dank! Herzlichen Dank auch von mir. Liebe Freunde! Ja, liebe Frau Becker, vielen Dank für das Gespräch. Ich freue mich auf das, was vor uns liegt.
00:47:14: Und damit sind wir auch schon fast am Ende dieser Folge von Democracy at Work. Allerdings nicht ohne ein Fazit. Blicken wir zum Abschluss noch einmal auf die Learnings und Handlungsempfehlungen, die wir aus dieser Folge mitnehmen können. In unserer dritten und letzten Rubrik Change Work.
00:47:40: Was also bleibt hängen?
00:47:46: Wenn sich Führungspersonen von Unternehmen positionieren, dann kann das eine positive Wirkung auf die Stakeholder des Unternehmens, zum Beispiel Kundinnen und Kunden, aber auch die Mitarbeitenden haben.
00:48:01: Ein Tone from the top, also das Voranschreiten des CEOs kann hier richtungsweisend sein. Wenn man sich als CEO oder Vorstand politisch äußert, sich zum Beispiel für Demokratie und gegen Ausgrenzung einsetzt, dann sollte man auch seinen Mitarbeitenden die Chance geben, das zu tun. Dafür gibt es ganz viele und individuelle Möglichkeiten.
00:48:28: Unternehmen sollten ihren Mitarbeitenden aber auf jeden Fall Dialog und Austauschmöglichkeiten bieten, damit sie sich einbringen und die PR des Unternehmens mitbringen können. Denn Unternehmen sollten Verantwortung übernehmen und das gerade jetzt, in Zeiten wie diesen. Darüber sind sich unsere Experten in dieser Folge einig.
00:48:58: Und das war die zweite Folge von Democracy at Work. Die nächste Folge kommt in zwei Wochen und wenn euch der Podcast gefallen hat, dann bewertet ihn sehr gerne und abonniert in. Dieser Podcast wurde übrigens im Rahmen des Projekts BCforde entwickelt. Das ist kurz für Business Council for Democracy. Der BCVD ist ein Netzwerk von Arbeitgebern, das sich für Demokratie am Arbeitsplatz einsetzt. Dabei können zum Beispiel Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Schulungen zu den Themen Hassrede, Desinformation und Verschwörungserzählungen besuchen und lernen, wie sie etwas gegen die Ausbreitung tun können.
00:49:36: Der BCVD ist ein Gemeinschaftsprojekt der gemeinnützigen Hertie Stiftung, der Robert Bosch Stiftung und des Institute for Strategic Dialogue. Mehr dazu in den Shownotes. Ich freue mich, wenn ihr wieder mit dabei seid. Mein Name ist Jonas Ross. Produziert wird dieser Podcast vom Studio ZX, einem Unternehmen des Zeitverlags. Bis zum nächsten Mal.
Neuer Kommentar